Alexa den Hartog, Mitinhaberin PO4 Seiler & den Hartog architekten

Alexa den Hartog studierte Architektur an der EPF in Lausanne, in Kopenhagen und an der ETH Zürich. Nach Berufserfahrungen in Basel, Zürich und Tokyo führt sie seit 2015 mit Ihrem Partner Yves Seiler das Architekturbüro PO4 seiler + den hartog architekten. 

Sie interessiert sich für die Dualität zwischen der theoretischen Konzeption von Architektur und ihrer Umsetzung; von der kleinen spezifischen Entwurfsaufgabe bis zum grossen Diskurs über den Raum und seine dynamische Interaktion mit seinen Nutzern. Architektur ist für sie gebaute Form politischer Ideen und muss daher mit der entsprechenden Verantwortung und Sorgfalt behandelt werden.

Neben PO4 ist Alexa auch im Lehrbereich tätig. Sie unterrichtete an der EPF in Lausanne und an der HKU in Hong Kong, ist in verschiedenen Workshops und Kollaborationen involviert sowie in Berufsverbänden aktiv. 

www.po4.ch

Was ist das Kerngeschäft/die Kernkompetenz Ihres Unternehmens?

Mit unserem PO4–Team bearbeiten wir vor allem private Aufträge oder Wettbewerbe im Wohnungsbau, bauen aber auch Möbel und Lampen, entwerfen einen öffentlichen Platz oder einen Kindergarten. Wichtig ist uns eine gute Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit allen Beteiligten; prozessorientiertes, ausgangsoffenes Arbeiten und sinnvolle Entscheidungsfindungen. 

Wir sind auch Teil der Planungsgenossenschaft Architecture Land Initiative, womit wir uns eher auf kontributive Planungsverfahren im Städtebau konzentrieren. 

Nebenbei bin ich immer wieder auch in der (Entwurfs-)Lehre tätig, an der EPFL oder letztes Jahr in Hong Kong. Mein Partner Yves Seiler experimentiert mit Technologie im Spannungsfeld zwischen Entwurf und Handwerk, mit verschiedenen CNC-Technologien, bildgebenden Verfahren und digitalen Werkzeugen aller Art. Zusammen ergibt sich so ein breites und spannendes Tätigkeitsfeld. 

Worin unterscheiden sich Ihre Dienstleistungen/Produkte von denen der Mitbewerber?

Wir sehen Architektur als Hintergrund für das Leben, das darin stattfinden wird; zurückhaltend, aber charakteristisch genug, um immer einen speziellen Ort zu bilden, dem man unsere Sorgfalt ansieht. Es ist ein persönlicher Prozess, etwas zu entwerfen, und diese Autorenschaft hinterlässt sicher Spuren, wenn auch hoffentlich subtile. Grundsätzlich steht bei unserer Entwurfsmethode jedenfalls nicht ein Bild oder eine Bildserie, sondern meist eine räumlich-tektonische Logik im Zentrum.

Mit welchem Projekt/bzw. welchen Projekten beschäftigen Sie sich gerade?

Ich plane an einer Überbauung für Kleingewerbe in Schlieren, zusammen mit Stahl-&Traumfabrik – einer kombinierten Schreiner- und Schlosserei, die Unglaubliches werken. Daneben nehmen wir mit PO4 an einem Studienauftrag für einen Kindergarten teil, bei dem wir die Gelegenheit bekommen haben, eine grosse, nutzungsneutrale Zwischenklimazone als Teil eines Low-Tech-Lüftungs- und Heizsystems weiterzuentwickeln. Nächstes Jahr werde ich mit ALIN und Kent Mundle dank eines Stiftungsbeitrags auch zu drei Wohnbaugenossenschaften in Hong Kong forschen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Meine liebsten Arbeitstage beginnen damit, die Pflanzen im Innenhof von unserem Atelier zu giessen und anschliessend einen Kaffee zu trinken, umgeben vom Geruch nasser Erde. Der Rest des Tages verläuft weniger regelmässig, aber diese kleinen Momente und Rituale machen mich glücklich. 

Was treibt Sie an? Was bringt Sie morgens aus dem Bett?

Grundsätzlich glaube ich daran, dass Architektur die Welt zum Positiven verändern kann. Es wird sowieso (um)gebaut werden müssen – und das muss so gut wie möglich gemacht werden. Es ist eine riesige Verantwortung, zu bauen, und wir sollten dem entsprechend Sorge tragen. Geweckt werde ich aber nicht davon, sondern von einem kleinen Kind, das die Nacht lautstark für beendet erklärt. 

Welche Eigenschaften halten Sie in Ihrem Beruf für besonders wichtig?

Ich glaube sehr stark daran, dass mit Empathie Architektur einfacher und besser wird. Sie hilft uns, sinnvolle Entscheidungen zu treffen, konstruktive Besprechungen zu führen und uns in neue Situationen einzudenken. Daneben braucht es Fantasie, um Lösungen zu finden – aber auch Durchhaltevermögen, um Schwierigkeiten zu überwinden, Überzeugungsarbeit zu leisten und Kompromisse auszuhandeln. 

Was ist Ihr wichtigstes Arbeitsinstrument?

Ohne meinen Computer wäre ich verloren – um zu zeichnen, zu schreiben, mich mit Menschen auf der ganzen Welt auszutauschen… Architektur ist ein gemeinsames Werk, viele Menschen sind involviert: Einen konstruktiven Dialog zu führen, ist deshalb essenziell. Wir experimentieren im Atelier mit allem, was dabei helfen kann: Online Miro-Boards, auf denen 50 Menschen sich zu einem Workshop treffen können, aber auch digitale Werkzeuge wie VR-Brillen und unsere stetig wachsende Modellbauwerkstatt. 

Worüber haben Sie sich kürzlich geärgert?

Über die Sinnlosigkeit der Zerstörung von Menschenleben, Infrastruktur und Kultur – für Macht. Aber näher an meinem Berufsalltag: Über Arealüberbauungs-Spezialregelungen. Ich verstehe nicht, weshalb es einen so breiten politischen Konsens gibt, dass grosse Überbauungen automatisch mit mehr Ausnützung belohnt werden sollen. Grosse Projekte haben sowieso finanzielle Skalierungseffekte, die sie lohnenswerter machen und hohe städtebauliche Anforderungen sollten an kleine wie auch an grosse Überbauungen gestellt werden. Dieses Instrument fördert eine Entdiversifizierung der Überbauungsstruktur und macht unsere Lebenswelt vor allem für Fussgänger langweiliger. 

Von welchem architektonischen/innenarchitektonischen Werk sind Sie besonders angetan?

Seit mehr als fünf Jahren ist das erste Bild, dass mich morgens begrüsst, wenn ich den Computer einschalte, eine Fotografie der Vordächer bei der Bushaltestelle Tiefenbrunnen von Pierre Zoelly. Eine ausdrucksstarke Geste, ortsbildend, wiedererkennbar und öffentlich nutzbar. Ein bisschen in die Jahre gekommen, ja, aber irgendwie wunderbar – ich versuche immer noch zu verstehen warum genau. 

Welches Produkt/welche Idee/welche Leistung hat Sie kürzlich beeindruckt?

Ich war gerade als Expertin bei einer Freundin von mir eingeladen, die eine Gastprofessur an der EPFL hat: Mio Tsuneyama. Die Architektur, die sie baut, aber auch unterrichtet, ist unglaublich leicht, respektvoll und konzipiert unvollendet. Ich glaube diese Einstellung gegenüber Architektur ist wichtig: Wir bauen keine fertigen Produkte, wir sind Teil eines andauernden Prozesses. Die Materialien (oder dessen Bestandteile), die wir verbauen, sind schon viel älter als wir; wir fügen uns in einen sozialen, lebendigen und gebauten Kontext ein, und wir übergeben unsere Gebäude seinen Nutzern und der Umwelt, die damit weiterlebt. Es braucht eine Zurückhaltung und gewisse Bescheidenheit, dieser Rolle gerecht zu werden.

Auf welche Musiktitel würden Sie auf einer einsamen Insel nicht verzichten wollen?

Ich würde wahrscheinlich versuchen, ein Audiobuch mitzuschmuggeln – am liebsten eins von Stephan Fry. Seine Stimme hat eine wahnsinnig beruhigende Wirkung und den gleichen Text immer wieder zu hören, hilft mir fast hypnotisch wieder klar zu denken. 

Mit wem würden Sie gerne einmal ein Glas Wein trinken?

Ich lese gerade Essays von Susan Sontag – mit ihr ein Glas Wein zu trinken, wäre sicher abenteuerlich gewesen, ihre Energie sprüht aus jeder ihrer Zeilen. 

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