Reto Fuchs, Inhaber Atelier Freienstein

Reto Fuchs lebt und arbeitet in Glarus. Nach Absolvierung der Hochbauzeichnerlehre hat er sich eingehend mit 3D-Visualisierung beschäftigt. Daraus hervorgegangen ist unter anderem das virtuelle Stadtmodell von Glarus nach dem Brand von 1861: www.altglarus.ch. Nach Abschluss des Architekturstudiums an der HTW Chur arbeitete er als Architekt bei verschiedenen Büros. 2021 hat er sich unter dem Namen «Atelier Freienstein» selbstständig gemacht. Neben seiner Tätigkeit als Architekt engagiert er sich ehrenamtlich im Glarner Architekturforum und als Stadtführer. Er war mehrere Jahre Bauberater für den Glarner Heimatschutz und Kunstkurator. Weiter ist er Mitglied der Kulturkommission des Kantons Glarus.

www.atelierfreienstein.ch

Was ist das Kerngeschäft/die Kernkompetenz Ihres Unternehmens?

Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit Wohnungsbau, oft im Kontext von geschützten Ortsbildern.

Worin unterscheiden sich Ihre Dienstleistungen/Produkte von denen der Mitbewerber?

Ich fühle mich für unsere Kunden und den Ort, den wir verändern, verantwortlich. Der Bau eines Hauses ist für viele Menschen eine einmalige Sache, ein Lebenstraum. Ich möchte unsere Bauherren bei diesem Prozess eng begleiten und suche spezifische und einzigartige Lösungen, die für lange Zeit Freude bereiten und zur baulichen wie auch kulturellen Umgebung passen. Unsere Eingriffe sollen den Ort über die Parzellengrenze hinaus aufwerten. Bei den Häusern im Park Freienstein kamen nach Abschluss der Bauarbeiten die Nachbarn – welche vor dem Baustart sehr skeptisch waren – auf mich zu und meinten, dass der Ort nun viel schöner sei als zuvor. Das ist eines der schönsten Komplimente für mich.

Mit welchem Projekt/bzw. welchen Projekten beschäftigen Sie sich gerade?

Wir beginnen gerade eine Studie zur Weiterentwicklung eines Areals, welches über Jahrhunderte von einer Industriellenfamilie bewohnt wurde; mehrere herrschaftliche Häuser, Remisen, Gartenpavillons und entsprechend Umschwung.

Das blosse «Überbauen» steht dabei für uns nicht im Vordergrund, da dies insbesondere die Frage der finanziellen Tragbarkeit nicht löst, sondern nur um eine Generation verschiebt. Unsere Eingriffe sollen den Wert einer Anlage steigern, anstatt sie finanziell auszuhöhlen.

Für uns stellt sich vielmehr die Frage, wie es gelingen kann, solche Areale über mehrere Generationen zu erhalten und auch bei wechselnden Konstellationen die spezifischen Stärken zu schärfen. Dies gelingt nur, wenn das Ergebnis so stark ist, dass sich Menschen für die Anwesen begeistern und sich entscheiden, als Bewohner oder Eigentümer Verantwortung für einen Ort zu tragen.

Stark beschäftigen uns auch Fragen der energetischen und ökologischen Nachhaltigkeit. Wir planen gerade ein Einfamilienhaus, welches ohne Heizung auskommen soll, seine benötigte Energie also passiv – ganz ohne kurzlebige Technik – aus der Kraft der Sonne beziehen wird. Was vor Jahren noch als experimentell galt und lediglich vereinzelt interessierte, kommt nun endlich in einer breiteren Schicht an. Uns gefällt diese Vielschichtigkeit der Denk-, Planungs- und Bauaufgaben.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich starte täglich um 5 Uhr und geniesse die stillen Morgenstunden. Meist lese oder schreibe ich. Erst dann plane ich den restlichen Tag. Grundsätzlich arbeite ich erst die unangenehmen Pendenzen ab, damit sie mir nicht den ganzen Tag Kraft rauben. Ich arbeite generell sehr diszipliniert und konzentriert. Dazwischen gönne ich mir oft den Luxus eines kleinen Spaziergangs im Park oder einem Lauf Richtung Glärnisch, unserem Hausberg. In Bewegung arbeitet mein Kopf am besten.

Was treibt Sie an? Was bringt Sie morgens aus dem Bett?

Als Architekt hat man die Möglichkeit, die Welt zu kreieren in der wir leben wollen. Dieses wunderbare Geschenk gibt mir täglich Antrieb.

Welche Eigenschaften halten Sie in Ihrem Beruf für besonders wichtig?

Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten, das Bewahren der kindlichen Neugier und ein feines Gespür für Orte und Menschen. Wer seine Ideen baulich umsetzen will, benötigt Flexibilität, Durchhaltewillen, und Kommunikationstalent.

Was ist Ihr wichtigstes Arbeitsinstrument?

Die ersten Analysen und Entwürfen sind meist in Textform gehalten. Das hilft mir, Dinge für mich zu klären und auf den Punkt zu bringen. Ich versuche immer, mich möglichst lange konkreten Bildern zu verschliessen, da sie schnell übermächtig werden und sich dadurch Formen zu früh verfestigen. Worte geben mir die nötige Abstraktion. Das mag ich sehr.

In einer zweiten Phase arbeite ich dann aber gerne mit Referenzen und bediene mich hier einer grossen Fotodatenbank, die ich über Jahre aufgebaut habe. Ich arbeite grundsätzlich digital. Mit dem Kartonmodell wurde ich nie warm. Ich liebe es, meine Ideen virtuell zu modellieren und mit der 3D-Brille zu durchschreiten. Volumen, Fassaden und Raumabfolgen lassen sich so sehr gut überprüfen und auch für Laien verständlich darstellen. Wenn die Volumina passen, geht nichts über haptische Bemusterung, damit am Schluss zwischen den Materialien etwas Magisches, eine Art Resonanz entsteht.

Worüber haben Sie sich kürzlich geärgert?

Ich versuche, möglichst wenig Zeit des Tages mit Ärger zu verschwenden. Das ist eine Lebenshaltung. Mir gefällt das arabische Sprichwort «Ärgere dich nicht darüber, dass der Rosenstrauch Dornen trägt, sondern freue dich darüber, dass der Dornenstrauch Rosen trägt.»

Von welchem architektonischen/innenarchitektonischen Werk sind Sie besonders angetan?

Die Siedlung Halen von Atelier 5, weil sie die Gemeinschaft feiert. Das 8-House von BIG, weil man sich dort in der Zukunft wähnt. La Congiunta von Peter Märkli, weil dieser Bau so wunderbar zu Ort und Inhalt passt. Und als Glarner natürlich Hans Leuzingers Kunsthaus in Glarus, eines der schönsten Kunsthäuser der Schweiz.

 

Welches Produkt/welche Idee/welche Leistung hat Sie kürzlich beeindruckt?

Ich war am Elternabend meines Sohnes im Kindergarten. An der Wand hingen von den Kindern gezeichnete Samichläuse. Ich staunte ob der Kreativität dieser fünfjährigen Knirpse. Jeder Chlaus war anders, genauso eigen wie jedes Kind. Ich wünschte mir, wir könnten diese Kreativität und Eigenheit, welche in jedem von uns angelegt ist, auch in späteren Jahren beibehalten.

Auf welche Musiktitel würden Sie auf einer einsamen Insel nicht verzichten wollen?

Ich fühle mich auf dem einsamen Berg wohler als auf der Insel. Mitnehmen würde ich an beide Orte «L’inverno» von Antonio Vivaldi, «Love in Outer Space» von Sun Ra, «Lust» von Puma Blue, «My oh My» von Sophie Hunger, «There, There» von Radiohead und «Almost blue» von Chet Baker.

Mit wem würden Sie gerne einmal ein Glas Wein trinken?

Mit Zeitzeugen vergangener Jahrhunderte wie den vielen Generationen an Bewohnern unseres historischen Hauses, in dem wir wohnen. Oder mit dem Architekten Hans Leuzinger (1887-1971). Ich hätte mit ihm gerne über seine Forschungsarbeiten und seine Bauten gesprochen, welche so unverwechselbar und pragmatisch Tradition und Moderne vereinbaren.

 

Portrait Reto Fuchs Atelier Freienstein