Andreas Kofler, Architekt-Urbanist, Autor und Kurator
Andreas Kofler ist Architekt-Urbanist, Autor und Kurator. Nach seinem Architekturstudium arbeitete er für verschiedene Büros wie Theo Deutinger, OMA/AMO, l’AUC und Dominique Perrault. Von 2018 bis 2024 war er Kurator und stellvertretender künstlerischer Leiter am Schweizerischen Architekturmuseum (S AM) in Basel. Er ist regelmässiger Beitragender der Zeitschrift ‹L’Architecture d’Aujourd’hui› und unterrichtet an der Nationalen Hochschule für Architektur in Versailles.
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Was ist das Kerngeschäft/die Kernkompetenz Ihres Unternehmens?
Mein Schwerpunkt liegt im Kuratieren, Unterrichten und Schreiben im Bereich Architektur und Städtebau. Dies geschieht unter anderem in Form von Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen oder der Lehre – also dort, wo Architektur vermittelt, weitergedacht und reflektiert wird. Dies mag auf den ersten Blick peripher erscheinen, doch es ist zugleich der Ursprung architektonischer und raumplanerischer Produktion. Insbesondere im Städtebau sind sind solche Formate ebenso raumbildend, da sie im Idealfall aus einer öffentlichen und kollektiven Reflexion hervorgehen.
Worin unterscheiden sich Ihre Dienstleistungen/Produkte von denen der Mitbewerber?
Der Kreis aus den drei genannten Tätigkeiten – Kuratieren, Unterrichten und Schreiben – bildet Schnittstellen im Bereich der Raumplanung, die sich gegenseitig bereichern und auf die eher wenige spezialisiert sind. Zudem ermöglicht er mir, auch in großen Maszstäben zu arbeiten, in denen Urbanismus eher konzeptionell gedacht werden muss. Dabei versuche ich als einköpfiges Kollektiv zu agieren, mich in die Strukturen, mit denen ich zusammenarbeite, zu integrieren und viel von den Menschen zu lernen, mit denen ich arbeite. Entscheidend ist dabei, keine Angst davor zu haben, Inhalte zu vereinfachen oder zu interpretieren, wenn es der Klarheit und dem Dialog dient – egal ob akademischer oder populärkultureller Natur.
Mit welchem Projekt/bzw. welchen Projekten beschäftigen Sie sich gerade?
In den Sommersemestern unterrichte ich im internationalen Masterstudiengang Toward Territorial Transition (TTT) an der ENSA Versailles, der auf Metropolisierung und Stadtökologie fokusiert. Parallel betreue ich Studierende bei ihrer Diplomarbeit und bin mit den Aufnahmen für das erste Studienjahr beschäftigt. Die Studierenden sowohl am Anfang als auch am Ende ihres Studiums begleiten können, ist besonders wertvoll.
Ausserhalb der Lehre befinde ich mich in der Konzeptphase von zwei Ausstellungen: Eine für das Theater Basel zum 50-jährigen Jubiläum des Theaterbaus. Besonders daran ist, dass das Gebäude selbst quasi als 1:1-Modell zur Verfügung steht – anders als bei einer Architekturausstellung in einem Museum, wo man auf Pläne oder Modelle zurückgreifen muss. Die zweite Ausstellung wird in Südtirol die architektonische und raumplanerische Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft meiner Heimatstadt Meran thematisieren.
Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?
Untypisch – es gibt selten zwei Tage, die sich gleichen, was die Arbeit sehr abwechslungsreich macht. Was den Tag jedoch strukturiert, sind wahrscheinlich die Pausen. In Paris nimmt man sich über Mittag Zeit, um in Gesellschaft zu essen. Zudem jogge ich jeden zweiten Tag, was mir hilft, meine Gedanken zu sortieren.
Was treibt Sie an? Was bringt Sie morgens aus dem Bett?
Ich bin eher Frühaufsteher. Meistens ist es die Ungeduld, die Arbeit vom Vortag wieder aufzunehmen, und der erste Kaffee, der mich zum Schreibtisch zieht.
Welche Eigenschaften halten Sie in Ihrem Beruf für besonders wichtig?
Es gibt immer wieder Henne-und-Ei-Fragen oder Engpässe, in denen ein Projekt zu stagnieren droht. Sich in solchen Phasen aufzuraffen und keine Angst vor Fehlern zu haben, ist essentiell. Das bedeutet, Stolz beiseite zu schieben, Probleme anzusprechen, nicht auf seine Rolle zu beharren und Selbstironie zu üben. Kurz gesagt: die Komfortzone immer wieder zu verlassen.
Was ist Ihr wichtigstes Arbeitsinstrument?
Ich nutze Adobe InDesign wie eine Krake, die alle Notizen, Dokumente, Bilder, Illustrationen, Diagramme und Pläne zusammenhält. Da ich vor allem Narrative entwickle, ist es wichtig, dass diese immer um eine oder mehrere Achsen strukturiert sind. Diese Arbeitsweise habe ich mir bei OMA/AMO angewöhnt, wo man oft sehr kurzfristig Präsentationen geben musste («Rem will Euch in 5 Minuten zum Projekt sprechen…»). Man musste immer bereit sein, ein kohärentes Dokument/Narrativ zum Drucker zu senden.
Worüber haben Sie sich kürzlich geärgert?
Über jemanden, der sich über mich geärgert hat. Und dann wiederum über mich, weil solche Missverständnisse dazu neigen, wie tiefe Wolken über mir hängen zu bleiben. Meine Schwester würde dies als ‹Sternzeichen Krebs› diagnostizieren.
Von welchem architektonischen/innenarchitektonischen Werk sind Sie besonders angetan?
Ich erinnere mich oft an einen frühmorgendlichen Besuch des Teshima Art Museums von Ryūe Nishizawa, der auch schon über 10 Jahre her ist. Es ist eine Architektur, in der alles zusammenkommt: Natur, Form, Menschen, Klima. Dies wirkt fast zufällig, aber je länger man sich dort aufhält, desto mehr beobachtet man, wie komplex es sein musste dies zu erlangen bzw. wie eine Choreografie aufzubauen.
Welches Produkt/welche Idee/welche Leistung hat Sie kürzlich beeindruckt?
Die ‹künstliche Sonne›, die das Institut für Plasmaphysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften für über 1’000 Sekunden aufrechterhalten konnte. Solche Experimente, wie auch am CERN, basieren auf Wissen, das tief mit unserer Existenz verbunden ist, aber erst nach und nach entschlüsselt wird.
Auf welche Musiktitel würden Sie auf einer einsamen Insel nicht verzichten wollen?
Auf ‹In Rainbows› von Radiohead. Aber auf einer einsamen Insel würde ich wohl auch meine ‹cringigere› Jogging-Playlist brauchen, um mich zu motivieren, im Kreis zu laufen.
Mit wem würden Sie gerne einmal ein Glas Wein trinken?
Ich hatte kürzlich ein Mittagessen mit Pipilotti Rist in ihrem Atelier. Die Begegnung war so charmant, informell und inspirierend, dass ich es gerne bei einem Glas Wein wieder aufnehmen würde. Und mit einem weiteren Künstler: Rudolf Stingel. Wir kommen beide aus Meran, wenn auch aus unterschiedlichen Generationen. Heute lebt er in New York, ich in Paris. Aus seiner Kunst lese ich eine ähnliche ambivalente Verbundenheit mit Südtirol – eine, die hinaustreibt und zugleich antreibt. Oder auch nicht. Ich müsste ihn fragen…
