Glasklare Offenheit: Roche Multifunctional Workspace Building
Glas und Aluminium sind die charakteristischen Fassadenmaterialien zahlreicher Gebäude des Basler Pharma- und Biotechkonzerns Roche. Diese Tradition haben die Basler Architekten Christ & Gantenbein beim neuen Roche Multifunctional Workspace Building FRITZ auf dem Campus der Roche Pharma Deutschland AG bewusst weitergeführt. Mit seiner hochgradigen Transparenz, der scharfkantigen Kubatur sowie den sichtbaren Auskreuzungen ist ein hochmodernes, zukunftweisendes Bürogebäude entstanden, das zugleich die industrielle Geschichte des Standorts aufgreift.
Bereits 2011 haben Christ & Gantenbein im baden-württembergischen Grenzach-Wyhlen nahe der Schweizer Grenze ein Büro- und ein Technikgebäude auf dem Campus der Roche Pharma AG Deutschland realisiert. Nun ist mit dem Multifunctional Workspace Building FRITZ ein Bürogebäude hinzugekommen, das mit seiner «glasklaren» Architektur sowie einer offenen, flexiblen Raumstruktur zukunftsweisende Arbeitslandschaften bereitstellt. Denn für den führenden Pharma- und Biotechkonzern gilt das Gleiche wie für viele internationale Unternehmen: Nur wer heute seinen Mitarbeitenden flexible Arbeitswelten mit vielfältigen Begegnungs- und Austauschmöglichkeiten anbietet, kann sich als attraktiver Arbeitgeber für hochqualifizierte Fachkräfte in der Forschung behaupten. Namensgeber des technisch hochmodernen und nachhaltig gebauten Multifunktionsgebäudes ist der Firmengründer Fritz Hoffmann-La Roche.
Mit dem FRITZ haben Christ & Gantenbein auch das Bebauungsraster der Campus-Anlage fortgesetzt. Durch das Weglassen von Zäunen und Mauern wurde die Gesamtanlage erweitert. Und mit neuen Plätzen und Aussenräumen um den Neubau herum haben die Architekten und ein neues, teils öffentlich zugängliches Zentrum geschaffen. Das FRITZ versteht sich als ein weiterer, formal reduzierter «Baustein» des Campus, der gemäss Christ & Gantenbein als «unverwechselbares Wahrzeichen» des Firmenstandorts in Erscheinung treten soll.
Industrieller Palazzo
Das Fassadensystem mit matten Aluminiumpaneelen ist eine Pfosten-Riegelkonstruktion in Stahl mit der Aufsatzkonstruktion Raico Therm sowie horizontalen, rahmenlosen Fensterbändern mit nur 45 Zentimetern Brüstungshöhe und bezieht sich direkt auf den industriellen Hintergrund des Standorts. Sinngemäss verwenden die Architekten für den Gebäudetyp den Begriff «industrieller Palazzo», nicht zuletzt aufgrund seiner konstruktiven Grandezza. Mit dem streng axial gegliederten, 23 Meter hohen Kubus in einer Breite von 37 Metern und Länge von 52 Metern ist es Christ & Gantenbein gelungen, historische Traditionen und aktuelle Technologien sowie Nutzungsansprüche miteinander zu verbinden. Im FRITZ wird der Wandel vom produzierenden Industriestandort hin zu einer auf den Menschen fokussierenden Umgebung erkennbar. Der Begriff der «Transparenz» bezieht sich darum nicht nur auf die grosszügige Verglasung der gesamten Fassade – die Fenster haben eine Verglasungsfläche von jeweils 3,9 x 2,6 Meter – , sondern ist «die architektonische Ausformulierung der neuen Arbeitswelt des 21. Jahrhunderts», wie es Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG und Geschäftsführer Roche Deutschland Holding GmbH an der Einweihung auf den Punkt brachte. Die Fenster sind dreifach-isolierverglast TVG mit einer kombinierten Sonnen-Wärmeschutzbeschichtung und einer zusätzlichen Wärmeschutzbeschichtung auf der inneren Verbundsicherheitsglasplatte. In die Fassade mit insgesamt 4200 m2 Fläche ist zudem ein Sonnenschutz in Form einer behangkantengeführten Markise (ZIP-Konstruktion) integriert. Dort, wo diese nicht vorhanden sind, erhält man von aussen einen glasklaren Blick auf die vertikalen, sich kreuzenden Aussteifungselemente, die das spezifische statische Konzept des Gebäudes lesbar und erfassbar machen. Zugleich dienen die Aussteifungen der Erdbebensicherheit in dieser seismisch aktiven Region.
Räume komplett stützenfrei
Die Konstruktion des Gebäudes ist eine Kombination aus Betonfertigteilen und vor Ort gegossenen Elementen. Die Innenräume mit einer Bruttogeschossfläche von 10‘000 Quadratmeter konnten damit komplett stützenfrei ausgeführt werden. Um dies zu erreichen, wurden im Innern die Kassettendecken aus Fertigbeton-Teilen (2,80 x 2,80 Meter) in Querrichtung vorgespannt. Im obersten Geschoss sind Oblichter in die Kassetten integriert, die Tageslicht tief in das Gebäude bringen. Um einen möglichst offenen Grundriss zu erreichen, haben Christ & Gantenbein zudem die Erschliessungskerne an die Ecken des fünfgeschossigen Gebäudes gesetzt und die vier Treppenhäuser um 45 Grad abgewinkelt. So ergibt sich eine maximale Freiheit aller oberirdischen Geschosse und eine hohe Variabilität in der Gestaltung des gesamten Gebäudes mit vielfältigen visuellen Bezügen. Damit einher gehen sehr hohe Anteile an Tageslicht, zusätzlicher Transparenz und räumlicher Grosszügigkeit.
In den nicht-hierarchischen Räumen wählen sich die Mitarbeitenden ihren Arbeitsplatz frei (100 fest zugewiesene und 300 flexibel nutzbare Arbeitsplätze). Zugleich laden das offene Design, die lichtdurchfluteten Stockwerke und der stützenfreie Raum die Mitarbeitenden und Forschenden dazu ein, sich frei zu bewegen und sich formell und informell in unterschiedlichen Formen auszutauschen. Über die vertikale Erschliessung in den Ecken des Gebäudes sind nicht nur alle Geschosse komfortabel miteinander verbunden. Von den vier Treppenhäusern hat man auch attraktive Ausblicke auf die umliegenden Hügel, den Nachbarort sowie auf den Campus, womit ein direkter Bezug zum industriellen Erbe von Roche hergestellt wird. Ein grosses Auditorium, Veranstaltungs- und Konferenzräume ergänzen das Raumangebot. Im Erdgeschoss befindet sich die öffentlich zugängliche Eingangshalle mit Empfang, Bar und Restaurant.
Design for Disassembly
Das Multifunctional Workspace Building erfüllt auch die strengen Anforderungen an die Energieeffizienz und Nachhaltigkeit des Unternehmens Roche. Aspekte wie Langlebigkeit und eine ressourcenschonende Herstellung standen dabei im Vordergrund. Die Aufgabe, nachhaltig zu bauen, sehen Christ & Gantenbein allerdings nicht alleine in einer ökologisch bewussten Herangehensweise bezüglich Architektur, dem Bauablauf oder der Herstellung der Baumaterialien erfüllt. Auch die Flexibilität, Multifunktionalität und Anpassungsfähigkeit des Gebäudes kommen dem Anspruch von Nachhaltigkeit und Langlebigkeit entgegen.
Die verbauten Materialien sind in der Regel up- und rezyklierbar. Auf Verbundstoffe oder geklebte Verbindungen wurde weitgehend verzichtet, und es wurde zu 100 Prozent mit «grünem Strom» aus erneuerbaren Energien gebaut. Die mit der Planung und dem Bau beauftragten Unternehmen stammen grösstenteils aus der Region. Anfahrts- und Transportwege sollten so kurz wie möglich sein.
BAUTAFEL
Bauzeit: 2015–2021
Bauherrschaft: Roche Pharma AG, Deutschland
Architektur: Christ & Gantenbein, Basel
Tagwerksplaner: Schnetzer Puskas Ingenieure, Basel
Bauleitung und Generalplaner: Itten+Brechbühl AG, Basel
Fensterverglasung / Fensterprofile: HW Heinrich Würfel Metallbau GmbH, Sontra
Fassadenplaner: PPEngineering GmbH, Basel
Fotos: Walter Mair, Basel