Robotisch gewickelt
Das Texoversum auf dem Campus der Hochschule Reutlingen bringt nicht nur die verschiedenen Kompetenzen der Textilforschung und -lehre unter einem Dach zusammen. Seine robotisch gewickelte Textilfassade demonstriert eindrücklich das Innovations-Potenzial faserbasierter Werkstoffe und textiler Techniken am Bau.
Im Texoversum sind auf insgesamt acht Split-Level-Ebenen Werkstätten, Labore, eine historische Textilsammlung, multifunktionale Flächen für Forschung und Entwicklung sowie diverse Unterrichtsräume untergebracht. Alle offen miteinander «verwobenen» und flexibel organisierten Bereiche sind jeweils halbgeschossig versetzt und visuell über ein lichtdurchflutetes Atrium miteinander verbunden. Die Erschliessung über Treppen unterstützt ebenfalls das räumliche Kontinuum der verschiedenen Bereiche. Dadurch soll eine offene Arbeitsatmosphäre mit Plattformen für einen lebendigen Austausch entstehen.

Textiles Bauen
Für den Bau verantwortlich zeichnete das Team aus Allmann Sattler Wappner Architekten aus München, Menges Scheffler Architekten aus Frankfurt und Jan Knippers Ingenieure aus Stuttgart. Die einzelnen Elemente der Textilhaut basieren auf einem an den Instituten von Achim Menges (Institute for Computational Design and Construction, ICD) und Jan Knippers (Institute of Building Structures and Structural Design, ITKE) der Universität Stuttgart entwickelten, robotischen Wickelprozess. Konkret wurden vier verschiedene Element-Typen mit unterschiedlichen Öffnungsgraden – je nach Funktion an der Fassade – entwickelt. Darüber hinaus benötigte es einen zusätzlichen Typ für die Gebäudeecken. Die vier Standardtypen sind gleichschenklige Dreiecke mit einer Grundlänge von 3,76 m, einer Höhe von 1,79 m sowie einer Tiefe von 0,3 m. Für jedes einzelne Modul wickelte der Roboter je circa 160 m Carbonfasern und 500 m Glasfasern. Jedes Element wiegt 28 kg, was einem Gewicht von 8,25 kg pro m2 Fassadenfläche entspricht.

Selbsttragende Elemente
Vor dem robotischen Wickelprozess wurden schwarze Zylinderstifte auf die Wickelrahmen geschweisst, auf welche anschliessend Stahlhülsen gesteckt wurden. In welcher Abfolge diese sogenannten Pins vom Roboter angesteuert und mit dem Endlosfäden aus Carbon- und Glasfaser umwickelt werden, ist durch die innere Öffnung bestimmt. Jedes Element wurde anschliessend im Ofen für mehrere Stunden gehärtet und anschliessend vom Rahmen abgezogen. Für die Montage an der Fassade steckten die Fassadenmonteure Schrauben in die Hülsen, um die einzelnen Elemente miteinander zu verschrauben. Die selbsttragende Faserverbundfassade wird lediglich von Konsolen in den auskragenden Wartungsbalkonen aus Beton-Fertigteilen gehalten. Die Fassade selbst ist eine Pfosten-Riegel-Fassade aus Aluminium. Die Fenster bestehen aus einer hochisolierenden 3-fach-Verglasung.


Langjährige Forschung
Für die Herstellung der Fassadenelemente verantwortlich zeichnete das Unternehmen FibR GmbH aus Kernen. FibR ist ein Bauunternehmen, das architektonische Faserverbundelemente für tragende Strukturen, Fassaden und Innenräume realisiert. Die computergestützten Entwurfsmethoden und robotergestützten Fertigungseinrichtungen ermöglichen die Erforschung eines komplett neuartigen Entwurfs- und Konstruktionsrepertoires für ressourceneffizienteres Bauen. FibR GmbH realisierte in Kooperation mit dem ICD und ITKE bereits zahlreiche forschungsbasierte Pavillonbauten, in denen die textile Faserverbund-Technologie als tragende Leichtbauweise einem grösseren Publikum gezeigt werden konnte. Dazu gehören unter anderen die Maison Fibre anlässlich der Architekturbiennale Venedig 2021, der Bundesgartenschau Pavillon Mannheim 2019 sowie der livMatS Pavilion im Botanischen Garten der Universität Freiburg, der robotisch mit Naturfasern realisiert wurde.

Bautafel
Bauherrschaft: Südwesttextil e.V., Stuttgart
Wettbewerb und Konzept: Allmann Sattler Wappner Architekten GmbH, München / Menges Scheffler Architekten PartG mbB, Frankfurt / Jan Knippers Ingenieure, Stuttgart
Generalplanung, Objektplanung: Allmann Sattler Wappner Architekten GmbH, München
Objektplanung Faserverbund Fassade: Menges Scheffler Architekten PartG mbB, Frankfurt
Tragwerksplanung: Jan Knippers Ingenieure, Stuttgart / Bwp Burggraf + Reiminger Beratende Ingenieure GmbH, München
Herstellung Faserverbund Fassade: FibR GmbH, Kernen
Projektsteuerung: Kubus360 GmbH, Stuttgart
Landschaftsplanung: Glück Landschaftsarchitektur GmbH, Stuttgart
Brandschutz: hhpberlin, Ingenieure für Brandschutz GmbH, München / Bauphysik Müller-BBM GmbH, Planegg / TGA Planung drei ingenieure Brunner Zauner beratende PartG mbB, Stuttgart
Elektroplanung: Müller & Bleher, Filderstadt GmbH & Co. KG
Fotos: Brigida Gonzalez

