Steinkorbfassade für neue Zürcher Schiessanlage

Mit der Widstud wurde im Kanton Zürich eine der grössten und modernsten Jagd- und Sportschiessanlagen Europas eröffnet. Zentrale Vorgaben für die neue Anlage waren eine umweltgerechte Gestaltung, ein hoher Lärmschutz sowie maximale Sicherheit. Die GFT Fassaden AG entwickelte und montierte hierfür in Zusammenarbeit mit der Steinbruch Mellikon AG eine einzigartige Fassadenlösung.

In einer ehemaligen Kiesgrube, versteckt hinter einem Stück Wald bei Bülach, liegt das neue Mekka für Jäger und Sportschützen. Auf einem rund 60’000 m2 grossen Areal befindet sich die neue Schiessanlage Widstud. Nach den erfolgten oder noch bevorstehenden Schliessungen der bisherigen Anlagen im Kanton Zürich, die die geltenden Umweltauflagen nicht mehr erfüllen können, musste eine neue Lösung her. Denn das eidgenössische Jagdgesetz verpflichtet alle Kantone, die Aus- und Weiterbildung im Jagdwesen sicher zu stellen.

Die Widstud-Beriebsgesellschaft AG ist heute stolz auf eine Vorzeigeanlage. Unzählige neue Schiessstände und Trainingsmöglichkeiten in grosszügigen In- und Outdoorbereichen bieten eine praxisnahe Aus- und Weiterbildung speziell für jagdliches Schiessen. So lässt sich beispielsweise im Schiesstunnel auch auf eine etwas längere jagdliche Distanz trainieren sowie rund um die Uhr das Gewehr kontrollschiessen. Im Indoorbereich richtet sich das Angebot auch an sportliche Schützinnen und Schützen. Neben den Trainingsbereichen planten die Architekten von Jörg & Kuster aus Degersheim für das dreigeschossige Hauptgebäude ebenfalls eine moderne Infrastruktur. Dazu zählen auch Schulungsräume, ein Bistro und eine Büchsenmacherei mit Verkaufsraum.

Um das Gelände der ehemaligen Kiesgrube zu modellieren und die unterschiedlichsten Schiessstände einzubringen, wurden über 125 000 m3 Erdaushub in die Grube eingebracht – mehr als 3000 Lastwagenladungen. Auf diese Weise soll auch ein grosser Teil des notwendigen Lärmschutzes gewährleistet werden.

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Gewichtige Fassadenlösung

Ein wichtiger Bestandteil des architektonischen Konzepts war die Eingliederung des Gebäudes in die bestehende Landschaft. Hierzu zählten einerseits ökologische, andererseits auch optische Aspekte. Für den ökologischen Ausgleich der genutzten Flächen wurde eine Feuchtzone mit Teich und mehrere Magerwiesen angelegt. Die optische Anpassung erfolgte schon durch die vertiefte Lage der Gebäude in der Grube, mehr aber noch durch die Gestaltung der Fassaden. Das Hauptgebäude wurde im obersten Geschoss mit einer Holzfassade aus nachhaltigem Douglasienholz eingefasst. Für die weiteren beiden Stockwerke in denen sich hauptsächlich Schiessstände befinden, kam auf der offen liegenden Südseite eine spezielle Lösung zum Einsatz. Bei der Suche nach einem Fassadenmaterial, das der Lage in der Kiesgrube gerecht würde, verfolgte der Architekt Patrick Gemperle von Jörg & Kuster von Anfang an die Idee, Kies zu verwenden – allerdings zunächst als «Wandkies», was sich nicht realisieren liess. Aus Preisgründen wurde dann auch eine grob verputzte Fassade (Kellenwurf 8 mm) in Erwägung gezogen. «In Rücksprache mit den Fachleuten der Steinbruch Mellikon AG haben wir dann aber die Möglichkeit geprüft, Steinkörbe zu verwenden», berichtet Architekt Peter Jörg. Solche Gabionen werden aufgrund ihres Gewichts üblicherweise in Form stehender Wände verwendet. Deshalb wandte man sich an die GFT Fassaden AG. In Kooperation mit dem Steinbruch Mellikon wagten sich die Techniker und Projektleiter GFT an die Entwicklung einer hinterlüfteten Vorhangfassade aus zentnerschweren Steinkörben. Nachdem die Erstellerin und die Bauherrschaft der Anlage ihre Zustimmung hierfür gegeben hatten, konnte die Detailplanung in Angriff genommen werden.

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Objektspezifische Unterkonstruktion

Um dem anspruchsvollen Vorhangmaterial gerecht zu werden, musste eine ganz neue Unterkonstruktion entwickelt werden. Christine Hacker, zuständige Planerin bei GFT Fassaden, erklärt: «Das Ziel war, diese Unterkonstruktion einerseits unsichtbar wirken zu lassen und andererseits eine einfache und schnelle Montage der Körbe zu gewährleisten.»

Die extra angefertigten Fassadenkörbe bestehen aus rundum punktgeschweissten Doppelstabgittern mit einer Maschenweite von 25 x 200 mm (Drahtnenndurchmesser 6/5/6 mm). Ihre Stückverzinkung wurde jeweils nach Herstellung der erforderlichen Biegungen und Schweissungen ausgeführt. Der Durchmesser der Körbe beträgt 125 mm. Dabei handelt es sich um 14 verschiedene Korbtypen sowie zwei Sondertypen. Pro Quadratmeter weisen die Körbe ein Gewicht von circa 200 kg auf – «ein ähnliches Gewicht wie eine Vollbetonfassade mit circa 90 mm Wandstärke oder eine Natursteinplatte mit ca. 80 mm», ergänzt Christine Hacker.

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Die entwickelte Fassadenlösung besteht aus drei Ebenen. Ganz aussen sind die gefüllten Steinkörbe angebracht. Die zweite Ebene bilden die horizontalen Auflagewinkel. Der formstabile Korb wurde jeweils als Element darauf aufgelagert, rechts und links auf ca. 500 mm, und oben mechanisch zurückgehalten und gesichert. Die dritte Ebene bildet die gedämmte, vertikale Unterkonstruktion. Sie besteht aus Konsolen und vertikalen Tragprofilen. Eine schwarze Folie auf den Tragprofilen deckt die Dämmebene ab und dient als Sicht- und Bewitterungsschutz. Dahinter liegen 5 mm für den horizontalen Tragwinkel. Den Abschluss bildet die 160 mm Dämmebene mit der vertikalen Unterkonstruktion. Der Gesamtaufbau der Unterkonstruktion misst so 290 mm.

Zu den Herausforderungen für GFT zählte «neben der Durchbiegung der Körbe auch die richtige Anordnung der mechanischen Sicherung angesichts der nicht kontrollierbaren Befüllung der Steinkörbe», sagt Reto Dörig, Inhaber und Geschäftsleiter von GFT. Mit Hilfe eines Mockups konnte aber sowohl das Verhalten der Unterkonstruktion als auch der Körbe vorab getestet und eine Montage-Lehre erstellt werden. Das Befüllen und Verpacken der 207 Fassadenkörbe mit rund 600’000 Stück Rundkies (32/50 mm) erfolgte mit einer hochmodernen Abfüllanlage im nahe gelegenen Steinbruch Mellikon. Die Körbe wurden werkseitig verdichtet und fix fertig für die Montage in speziellen Transportboxen auf die Baustelle geliefert. Für die speziellen Bedürfnisse dieser Baustelle entwickelten die Spezialisten des Steinbruchs ein Montagesystem, das eine unkomplizierte Handhabung für die Montage mit dem Baustellenkran ermöglichte. Für die Montage waren schliesslich ca. 250 Kranzüge nötig. Die Körbe wurden damit jeweils von oben entlang der Fassade eingebracht und vom Gerüst aus befestigt.

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Zu den erfreulichen Begleiterscheinungen der Steinkorbfassade zählt neben der ästhetischen Wirkung, dass sie extrem robust und witterungsbeständig ist. Zusätzlich bieten die unverfugten Steine auch diversen Kleinlebewesen wie Eidechsen, Wildbienen oder Spinnen Unterschlupf, was die Fassade auch aus ökologischer Sicht wertvoll macht. Nicht zuletzt trägt sie zum notwendigen Schallschutz der Anlage bei, der heute sogar über die geforderten Werte hinausgeht.

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BAUTAFEL

Betreiber: Widstud-Betriebsgesellschaft AG, Zürich

Bauherrschaft: Allreal Generalunternehmung AG, Zürich

Architekt: Jörg & Kuster AG, Degersheim

Systemplanung: GFT Fassaden AG, St. Gallen / Steinbruch Mellikon AG, Mellikon

Systemlieferant: GFT Fassaden AG, St. Gallen

Fassadenbauer: Baltensperger AG Holzbau, 8404 Winterthur

Steinkörbe: Steinbruch Mellikon AG

Fotos: GFT Fassaden AG

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