Verdichtung mit Zukunft: Glasi-Quartier Bülach
Im "Glasi-Quartier" herrscht emsiges Treiben: Nach intensiver siebenjähriger Entwicklungs- und Planungszeit und einer bisherigen Bautätigkeit von drei Jahren konnten die ersten Bewohnerinnen und Bewohner im Herbst 2022 ihr neues Zuhause beziehen. Die Baugenossenschaft Glattal, die Logis Suisse AG und die Steiner Investment Foundation stehen damit zusammen mit der Steiner AG vor dem ehrgeizigen Ziel, hier in Bülach Nord ein Vorbild für verdichtetes Bauen und ein städtebauliches Konzept der Zukunft realisiert zu haben. Auf dem Weg dahin stellten und stellen sich allerdings viele Herausforderungen.
Nur der Name erinnert noch an die industrielle Vergangenheit des Areals, auf dem während mehr als 100 Jahren Glas hergestellt wurde. Nachdem die Firma Vetropack den Produktionsstandort in Bülach im Jahr 2002 stilllegte, lag das Glasi-Areal für einige Jahre brach. Bis sich die Stadt daran machte, die mögliche Entwicklung des Geländes und der umliegenden ehemaligen Industriegelände untersuchen zu lassen. Um für soziale Nachhaltigkeit zu sorgen, wurden die planungsrechtlichen Voraussetzungen in einem Gestaltungsplan festgehalten. 2012 kauften schliesslich die beiden gemeinnützigen Wohnbauträger Baugenossenschaft Glattal und Logis Suisse AG das Glasi-Areal. Für die Entwicklung und die Ausführung schlossen sie einen exklusiven Vertrag mit dem erfahrenen Projektentwickler und Totalunternehmer Steiner AG ab. Die Division Immobilienentwicklung von Steiner übernahm fortan sämtliche Leistungen der Projektentwicklung und startete mit der Marktanalyse und einer detaillierten Chancen- und Risikobewertung. Um geeignete Lösungen zu evaluieren, folgte ein einstufiger städtebaulicher Studienauftrag. Zu diesem wurden einheimische und internationale Architektenbüros eingeladen, um ihre Ideen für ein neues Stadtquartier vorzubringen.
Dichtes Netz mit hohem Wohnwert
Die Vision der Auftraggeber sah vor, ein wohnliches Quartier mit ökonomisch vertretbaren Miet- und Eigentumswohnungen zu schaffen, das eine hohe soziale Durchmischung ermöglicht. Und das alles in einer für Schweizer Verhältnisse ungewöhnlichen Dichte. Um diese positiv zu gestalten, sollen auch höchste Ansprüche an modernen Wohnkomfort erfüllt werden und neben ausreichend Raum für gemeinschaftliche Aktivitäten genauso Rückzugsmöglichkeiten vorhanden sein. In der Entstehung ist jetzt ein neuer Stadtteil mit rund 580 Wohnungen und gut 20‘000 Quadratmetern Gewerbe- und Büroflächen. Bis Mitte 2024 soll ein oberirdisches Bauvolumen von rund 315’000 Kubikmetern vollständig realisiert sein.
Unter den elf teilnehmenden Entwurfsbüros konnte das Konzept von Duplex Architekten aus Zürich überzeugen: Duplex gingen bei ihrem Ansatz von aussen nach innen vor. Dafür definierten sie zuerst die Zwischenräume und dann – davon ausgehend – die Gebäude. Die Basis bildet ein Netz aus strahlenförmigen Strassen, an deren vier Haupt-Kreuzungspunkten sich je ein Platz befindet. Die Strassen im Glasi-Quartier sind dem Leben und der Begegnung vorbehalten, für motorisierte Fahrzeuge sind sie lediglich beschränkt zugänglich; der Autoverkehr wird an den beiden Eingängen zum Areal direkt in die Tiefgarage geleitet.
Im nächsten Schritt entwarfen die Architekten an den Plätzen, Rändern und Strassen die Wohnungen, die je nach Lärmsituation mit tief einschneidenden Loggien oder auskragenden Balkonen versehen sind. Die Wohnhäuser in Form von Vier- bis Sechsspännern umfassen ein breites Spektrum an Wohnungstypen: preisgünstige Wohnungen für Junge und Ältere, für Paare, Singles und Familien. Dazu kommen Sonderformen für das Wohnen im Alter oder für Patchwork-Familien in grossen Wohngemeinschaften. Nach Bedarf können ergänzende Einheiten dazu gemietet werden. Der Blickfang des Quartiers ist das 60 Meter hohe Hochhaus «Jade» mit 75 attraktiven Eigentumswohnungen, das von Wild Bär Heule Architekten entworfen wurde.
Die Erdgeschosse auf dem Areal werden an Gastrobetriebe, Supermärkte oder sonstige Detailhändler vermietet, zum Teil sind dort öffentliche Gemeinschaftsräume geplant. Neben einem Wohn- und Pflegezentrum mit 62 Wohnungen für SeniorInnen und 40 Zimmern für Pflegebedürftige wird künftig ein modernes Ärztehaus mit diversen Praxen zur Ergänzung der bestehenden medizinischen Grundversorgung der gesamten Region beitragen. Am westlichen Rand des Areals entsteht ein grosses Gewerbe- und Dienstleistungsgebäude, welches unter anderem ein Zentrum für digitale Innovation im Gesundheitswesen beherbergen wird. Zudem konnte eine gemeinnützige Sozialinstitution, die Menschen mit psychischen, physischen oder sozialen Beeinträchtigungen auf ihrem Weg begleitet und unterstützt, als langfristige Ankermieterin für diesen Gewerbebau gewonnen werden. Mit ihrem Publikumsangebot wird diese Stiftung im Glasi-Quartier einen wichtigen Beitrag zur lebendigen Vielfalt und breiten Durchmischung des neuen Bülacher Stadtteils leisten. Abschliessend konnte ein weiterer Mietvertrag mit einem Spezialisten für Brückenlager, Fahrbahnübergänge und Erdbebenschutzsysteme abgeschlossen werden, wodurch das Gebäude bereits vor Beginn der Rohbauarbeiten vollvermietet war. Dies widerspiegelt die gut geplante Entwicklung, die von Beginn weg im Einklang mit der Positionierung des Wirtschaftsstandorts Bülach gestanden ist.
Herausforderungen mit Planung begegnet
Das Grossprojekt Glasi ist in jeder Hinsicht beeindruckend. Schon das Baugespann der 21 Bauten und des Hochhauses bestand aus rund 37 Tonnen Metallstangen. Das Vorhaben, ein Industriegebiet mit einer Grundstücksfläche von 42‘000 m2 in einen hochwertigen Lebens- und Arbeitsraum zu verwandeln, ist bereits eine hochkomplexe Aufgabe. Hinzu kamen Herausforderungen wie die Entwicklungsvereinbarungen mit der Stadt, die erstmalige Zusammenarbeit der Entwicklungspartner sowie abweichende Interessen der Öffentlichkeit und der zukünftigen Mieter.
Eine der grössten Herausforderungen bestand von Beginn weg im Management und Abgleich über mehrere Teilprojekte. Steiner hatte hier stets das klare Ziel, dieser mit modernsten Planungsmethoden zu begegnen: der modellbasierten Koordination von Teilmodellen sowie Kostenplanung und Ausschreibung über BIM. Neben der Kontrolle der Kosten wurden optimierte Zeitpläne sowie eine reibungslose Ausführung angestrebt. BIM garantiert allen Partnern Transparenz und optimale Schnittstellen.
Doch auch BIM selbst ist nach heutigem Organisations- und Wissensstand eine Herausforderung. Erst recht die Zusammenführung des komplexen Projekts zu einem grossen aggregierten Mastermodell – als OpenBIM Projekt in IFC. Die Leitung des Planungsteams und -prozesses nach BIM liegt bei der Planergemeinschaft Duplex
Architekten und IttenBrechbühl. Zum Einsatz kommt ein Koordinationsmodell des gesamten Areals, an dem eine Vielzahl von Planungsbüros beteiligt ist. Diese nutzen zum einen unterschiedliche Software, zum anderen werden die 21 Gebäude noch jeweils in sieben Fachmodellen (Architektur, Fassade, Heizung, Lüftung, Sanitär, Elektro, Tragwerk) bearbeitet. Steiner setzt BIM bereits seit mehreren Jahren bei allen eigenen Entwicklungsprojekten ein und hat hierfür ein spezialisiertes Team im Einsatz. Das Glasi-Projektbüro in Bülach zählt zu den grössten bisherigen BIM-Projekten in der Schweiz. Die Qualitätsprüfung und die räumliche Koordination wurden an regelmässigen Sitzungen im BIM-Lab mit allen Planern vor Ort durchgeführt.
Auch für die Vermarktung der mit moderner Smart-Home-Technologie ausgestatteten Wohnungen im Hochhaus „Jade“ setzte Steiner auf neuste Technik: Ein Online-Wohnungskonfigurator ermöglichte es Kaufinteressentinnen und -interessenten, die Grundrisse sowie die Materialisierung der gewünschten Wohneinheit individuell zu gestalten. Im Glasi-Showroom war als weiteres Highlight dank Virtual-Reality-Brillen bereits vor Baubeginn eine virtuelle Begehung des künftigen Quartiers möglich. Wie erwartet waren nicht nur die meisten der 110 attraktiven Eigentumswohnungen im Hochhaus und einem weiteren Gebäude bald verkauft, sondern auch die mehr als 350 gemeinnützigen Mietwohnungen auf dem Areal schnell vermietet.
Weitere Informationen unter: www.steiner.ch