Vertikales Wohnen im Wasserturm
Nach jahrelangem Leerstand hat ein denkmalgeschützter Wasserturm in Utrecht eine neue Bestimmung erhalten – als Wohnturm. Die Ausgangslage war für die Architekten von Zecc aufgrund der aussergewöhnlichen Dimensionen nicht ganz einfach. Auch der Zustand der Bausubstanz liess zu wünschen übrig. Doch mit verschiedenen cleveren Einfällen und der Hilfe unterschiedlicher Spezialisten konnten die Probleme behoben und sowohl das Denkmal gewürdigt als auch eine spezielle Wohnsituation geschaffen werden.
Der über 40 Meter hohe Wasserturm an der Amsterdamsestraatweg ist eins von mehreren ehemaligen Wasserreservoirs der niederländischen Stadt Utrecht. Er wurde um 1917 im Stil der Amsterdamer Schule erbaut und 2001 zum nationalen Denkmal erklärt. In Betrieb war er allerdings schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Seit den 80er-Jahren wurde er mehrmals besetzt und verfiel trotz einiger sporadischer Eingriffe zusehends. 2012 kaufte schliesslich eine private Bauherrschaft den Turm und liess durch Zecc Architecten einen Entwurf für die Transformation in ein Wohngebäude erstellen. Für alle Beteiligten, darunter das Bauunternehmen R&R Bouw war es ein anspruchsvolles Projekt. Nicht nur weil der Bau unter Denkmalschutz steht und sein Herzstück ein Wassertank aus Metall ist, sondern auch weil die ursprünglichen Konstruktionszeichnungen fehlten.
Gestapelte Atelierwohnungen
Die Anforderungen bestanden darin, den Turm sinnvoll und sicher zu erschliessen, mit genügend Tageslicht zu versorgen und zusätzlich einen schönen Aussenbereich zu schaffen. Dabei ergaben sich immer neue Herausforderungen. So wie im Fall der Mauerwerkshülle um den zentralen Wassertank, bei der sich herausstellte, dass Konstruktion und Mauerwerk komplett erneuert werden mussten. Umso mehr kann sich das Ergebnis heute sehen lassen: Zuunterst im Turm im Erdgeschoss befindet sich eine Gewerbefläche mit einem Café, darüber entstanden drei identische Atelier-Wohnungen und zuoberst als Krönung eine exklusive sechsstöckige Residenz. In den Atelier-Wohnungen wurde der ursprüngliche Charakter des Ziegelbaus und der Holz- und Betonbalken soweit es ging erhalten. Es entstand jeweils ein kompaktes Volumen mit zwei Ebenen. Auf der einen Ebene schufen die Architekten einen Schlafbereich, auf der anderen die Küche, das Bad und den Zugang zum neu installierten Aufzug. Um Licht in die Studios zu bringen, erhielt die Fassade drei grosse, übereinanderliegende Öffnungen. Mittels Stahl-Falttüren in einem Corten-Stahlrahmen lassen sich die Wohnungen hier zu je einer kompakten Loggia öffnen.
Residenz im Wasserreservoir
Die darüber liegenden sechs Stockwerke bilden eine einzige repräsentative Wohneinheit mit rund 400 Quadratmetern Wohnfläche. Im vierten Stock, wo sie beginnt, ist auch noch der Boden des ehemaligen Wasserreservoirs sichtbar – der gewölbte Wassertank aus Stahlblech mit seinen groben Nieten bildet die Decke des Stockwerks. Seine warme Rostfarbe sorgt zusammen mit dem wieder sichtbar gemachten Ziegelmauerwerk, den Betonböden und verschiedenen Einbauten aus Nussholz für eine einzigartige und einladende Atmosphäre.
Im nächsten Geschoss ist das Innere des ehemaligen Wasserbeckens zu erkennen. Diese fensterlose Ebene kann für verschiedene Zwecke genutzt werden. Es folgt ein Geschoss mit Gästezimmern und Entspannungsbereich, das durch die ursprünglichen schartenartigen Fenster beleuchtet wird. Der Bezug zum Aussenraum wächst mit den Stockwerken. Für das Schlafzimmergeschoss im 7. Stock wurde eine grosse Öffnung in den Wassertank und die umgebende Aussenhaut gemacht und eine Loggia mit einer Glasschiebetüre eingesetzt. Zusätzlich setzen sich hier als Erinnerung an die alte Fassade die schmalen vertikalen Fensterbänder fort.
In der achten Etage befindet sich die Küche. Hier wurden ringsherum grosse quadratische Fenster eingefügt, die viel Tageslicht und eine 360 Grad Rundumblicke auf die Stadt in die Wohnung bringen. Ihre tiefen Leibungen sind mit Holz belegt und dienen mal als Sitzgelegenheit und mal als Abstellfläche.
Auf einer eingefügten Galerie schwebt das Wohnzimmer über der Küche. Von hier wie teilweise auch von der Küche aus ist der Blick frei auf die überwältigende Stahlkonstruktion der Dachkuppel. Sie erhielt rundum ein durchlaufendes Panoramafenster, durch das sich vom Sofa aus die Silhouette von Utrecht beobachten lässt. Die befensterte Laterne bringt zusätzlich Licht in diesen aussergewöhnlichen Raum.
Warme Atmosphäre im Industrielook
Wie auf den anderen Ebenen des Turms ist die Atmosphäre auch in den obersten Etagen robust und industriell, aber gleichzeitig gemütlich und intim. Dazu trägt auch die Materialwahl bei. Der Mix aus industriell und wohnlich wie auch aus alt und neu wird unter anderem möglich durch die Wahl des Stahlprofilsystems Janisol Arte 2.0 und Janisol. Nahezu sämtliche Fenster wurden durch das Metallbau Unternehmen H. BAARS aus Utrecht objektspezifisch aus Janisol Arte 2.0, die Faltwände aus Janisol gefertigt. Das System Janisol eignet sich dank verschiedenster Öffnungsarten hervorragend für die Sanierung historischer Fenster aber auch für den modernen Wohnungsbau. Bei diesem Projekt kamen Festverglasungen wie auch öffenbare Elemente zum Einsatz. Mit den schmalen Profilansichtsbreiten von lediglich 25 bzw. 40 mm bei Festverglasungen und einer Bautiefe von 60 mm können feine und dennoch stabile Konstruktionen mit einem hohen Glasanteil realisiert werden. Das zahlt sich beim Watertoren einerseits in den schmalen Fenstern entlang des Turms aus, wo der Rahmen die Sicht und den Lichteinfall nicht zusätzlich einschränkt, andererseits bei den Panoramafenstern, wo sie ebenfalls die maximale Transparenz ermöglichen. Zudem bringen die neuen Fenster mit bester Wärmedämmung und ausgezeichneten U-Werten eine neue energieeffiziente Behaglichkeit in den gesamten Turm.
BAUTAFEL
Fertigstellung: 2022
Architektur: Zecc Architecten BV, Utrecht
Metallbau: H. BAARS BV, Utrecht
Fotos: Stijn Poelstra