Innovative Solarfassade für Holz-Hybrid Hochhaus

Unter dem Namen Zwhatt entstand unmittelbar beim Bahnhof Regensdorf-Watt ein neues Quartier. Das wegweisende Projekt umfasst auch ein bereits preisgekröntes Hochhaus aus der Feder von Boltshauser Architekten. Aussergewöhnlich zeigt sich insbesondere auch die Solararchitektur an der Fassade. Diese entstand durch die enge Zusammenarbeit der BE Netz AG mit der RUCH Metallbau AG.

Der Bund, Kantone und Städte haben neue Energiestrategien entwickelt und forcieren die dezentrale Stromproduktion. Dabei fördern und fordern sie die Nutzung der Sonne als unbegrenzte Energiespenderin. Ein Beispiel ist die Stadt Zürich: In der grössten Schweizer Stadt hat sich die Solarstromproduktion von etwa 4.6 Gigawattstunden (GWh) im Jahr 2010 fast verzehnfacht auf rund 44 GWh im Jahr 2022. Dieser Ertrag entspricht allerdings erst etwa 1.5 Prozent des Stadtzürcher Stromverbrauchs und einem Bruchteil des vorhandenen Potenzials. Das PV-Potenzial der Stadt Zürich liegt bei jährlich rund 500 GWh Solarstrom. Um es auszuschöpfen, sollen zukünftig neben Dächern auch Fassaden und Infrastrukturanlagen für Solaranlagen genutzt werden.

Holz-Hybrid-Bauweise
Nur wenige Kilometer ausserhalb von Zürich liegt Regensdorf-Watt, wo mit der Überbauung Zwhatt derzeit ein vorbildliches Projekt umgesetzt wird. Das ehemalige Industrieareal wird in ein gemischt genutztes und klimaneutrales Stadtquartier mit verschiedenen bezahlbaren Wohnformen sowie Gewerbe und Dienstleistung transformiert. Ein kürzlich fertiggestelltes Gebäude ist das Hochhaus H1. Dessen innovative Bauweise setzt neue Massstäbe in Sachen nachhaltiges Bauen und Umweltschutz. Das 24-stöckige Gebäude entstand nach dem Entwurf von Boltshauser Architekten AG und umfasst 156 Wohnungen sowie rund 770 Quadratmeter Büro- und Geschäftsflächen im Sockel.
Das besondere Merkmal des H1 ist seine Holz-Hybrid-Bauweise. Der Erschliessungskern des 75 Meter hohen Turms wie auch sein dreigeschossiger Sockel bestehen aus Beton. Ebenso wurden die Zwischendecken der 21 Wohngeschosse aus dünnen Betonplatten erstellt. Das gesamte übrige Skelett – tragende Stützen und Unterzüge sowie die Aussenwand – wurde aus Holz bzw. vorgefertigten Holzelementen errichtet.

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Gebäudeintegrierte Photovoltaik-Anlage
Der nachhaltige Aspekt der Fassade wird massgeblich unterstrichen durch die Integration einer Photovoltaikanlage. Die Solarmodule wurden jeweils in horizontal auskragender Stellung vor der Fassade angebracht. In dieser Form dienen die Module zugleich als Brise-soleil und somit als Sonnenschutz für darunterliegende Fenster und Loggias. Möglich gemacht wurde das durch eine Kooperation der Spezialisten für Photovoltaik von der BE Netz AG mit der RUCH Metallbau AG.

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Im Bereich der Fassade handelt es sich um 1764 PV-Module mit einer Gesamtfläche von 1464 m2. Die Doppelglas-Solarmodule sind in vier unterschiedlichen Längen von 1 bis 1,5 m auf einer Breite von 80 cm ausgeprägt. Front- und Rückseitenglas sind jeweils 6 mm oder zweimal 8 mm dick. Zu ihrer Befestigung erstellte RUCH 616 Elemente einer vorgehängten Stahlkonstruktion, die einzeln in den Holzständern verankert wurden. Einen Teil der Konstruktion bildet ein horizontales Ständerwerk aus Metallschwertern, in denen sich innenliegend Spezial-Klemmprofile zur Anbringung der gläsernen Solarmodule befinden.
Die Stahlelemente wurden vorab vollständig im Werk von RUCH vorgefertigt und komplett zusammengebaut, bevor sie auf die Baustelle geliefert wurden. Ihre Anlieferung erfolgte effizient per LKW-Wechselpritschen im Rahmen eines Just-in-Time-Lieferkonzepts, sodass sie nach und nach auf der Baustelle eintrafen. Die Vorfertigung ermöglichte eine präzise und schnelle Montage vor Ort, wodurch die Bauzeit erheblich verkürzt wurde. Neben der Montage der Solarmodule erfolgte auch die Integration der vertikalen Beschattung in die Fassadenelemente vor Ort, in diesem Fall durch den Storenbauer.
Die Solarmodule wurden von BE Netz über 21 Stockwerke und auf allen vier Gebäudeseiten montiert. Ihre Verkabelung und Verstringung wurde ebenfalls auf innovative Weise gelöst. Denn um die Brandschutzvorschriften einzuhalten, dürfen keine stockwerkübergreifende Kabel an der Fassade geführt werden. Die Kabel müssen auf jedem Stockwerk über den Gebäudekern geführt werden. So wurde bereits in der Planung der Fassadenmodule neben der Befestigung bereits an die Verkabelung der Solarmodule gedacht. Dafür wurde eine schmale Kabelrinne vorgesehen, in welcher die Kabel der jeweiligen Gebäudeseiten pro Geschoss befestigt sind. In der Rinne sind die Kabel versteckt, mechanisch geschützt sowie gegen Regen und UV-Strahlung abgeschirmt. Die Module derselben Ausrichtung wurden schliesslich über mehrere Stockwerke verstringt.
Das Konzept für die Verkabelung, die Dimensionierung und Platzierung der Rinne wurde von BE Netz mit RUCH gemeinsam erarbeitet, um die Synergien beider Unternehmen optimal zu nutzen. Technische Eigenschaften wie Kabellängen und Steckertypen wurden ebenfalls zusammen definiert. Hierbei half ein Mockup der Fassade.

Schnitt1
Schnitt2
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«Sonnendächer» erhöhen Stromproduktion
Gegenüber einer vertikalen PV-Anlage konnten die Flächen zur Stromproduktion mit den «Sonnendächern» mehr als verdoppelt werden. Zusammen mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach mit 250 m2 Fläche generieren die Fassadenmodule mit durchschnittlich 106 Wp pro Stück einen Ertrag bis zu 244 000 kWp (entspricht 140 000 kWh Jahresenergieertrag). Gemeinsam decken sie den Strombedarf der Wohnungen zu ca. 35 %.
BE Netz stellte die elektrotechnische Funktionalität sowie die Inbetriebnahme der gesamten PV Anlage an Fassade und Dach sicher. Die Anlage wurde komplett durch die Solarspezialisten aus der Zentralschweiz konzipiert, geliefert und realisiert.
Die Kooperation der BE Netz AG mit der RUCH Metallbau AG soll auch in Zukunft für effiziente und kostenoptimierte Lösungen im Bereich der Solararchitektur sorgen.

Boltshauser Architekten und Pensimo wurden für ihren Holzhybridbau mit der innovativen Solarfassade an den Holcim Awards in Venedig 2023 auch bereits mit dem Acknowledgement Preis für nachhaltiges Bauen ausgezeichnet.

 

Bautafel

Bauherrschaft:
Anlagestiftung Turidomos vertreten durch Pensimo Management AG, Zürich

Architektur:
Boltshauser Architekten AG, Zürich, https://boltshauser.info

Holzbau:
ERNE Holzbau AG, Laufenburg, https://www.erne.net/de

Photovoltaik:
BE Netz AG, Luzern, http://www.benetz.ch

Metallbau:
RUCH Metallbau AG, Altdorf,  https://ruch.ag

 

Visualisierungen: studioblomen
Fotos: BE Netz AG, RUCH Metallbau AG