Claudia Thommen, Stiftung Ferien im Baudenkmal

Nach dem Architekturstudium an der ETH hat Claudia Thommen fast zwanzig Jahre Erfahrung in Planung und Ausführung gesammelt, im Angestelltenverhältnis und als Selbständigerwerbende. In diesen Jahren erwachte ihr Interesse vor allem am Um- und Weiterbauen, am Respekt vor dem Gebauten und am nachhaltigen Umgang mit Ressourcen und Raum. Mit diesem Rucksack und einer Weiterbildung in Denkmalpflege und Umnutzung stürzte sie sich vor über drei Jahren in das Abenteuer «Ferien im Baudenkmal», um auf Bauherrenseite mehr zur Erhaltung der Baukultur beitragen zu können.

www.ferienimbaudenkmal.ch

Was ist das Kerngeschäft/die Kernkompetenz Ihres Unternehmens?

Die Stiftung Ferien im Baudenkmal ist ein Projekt an der Schnittstelle von Tourismus und Denkmalpflege. Sie engagiert sich schweizweit für den Erhalt von bauhistorisch wertvollen Gebäuden, indem sie dem Verfall ausgesetzte und vom Abriss bedrohte Baudenkmäler nach einer sanften Restaurierung als Ferienobjekte neu belebt und für die Öffentlichkeit nutzbar macht.

Worin unterscheiden sich Ihre Dienstleistungen/Produkte von denen der Mitbewerber?

In der Schweiz gibt es bisher keinen vergleichbaren Anbieter im Bereich Baukultur und Tourismus. Bei uns steht immer das Baudenkmal im Zentrum, das bestimmt, welche Region es für die Feriengäste zu entdecken gibt und welche Geschichte ein Haus erzählt. Bei der Ausstattung achten wir darauf, dass sie den Charakter des Hauses ergänzt und sich die Gäste wohlfühlen.

Mit welchem Projekt/bzw. welchen Projekten beschäftigen Sie sich gerade?

Im Durchschnitt können wir pro Jahr ein stiftungseigenes Gebäude restaurieren, was ich bauherrenseitig begleite. Aktuell ist es ein mittelalterliches Wohnhaus in Moghegno im Tessin. Daneben evaluiere ich neue Objekte und berate Dritteigentümer bei Sanierungen.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Diese sehen glücklicherweise sehr unterschiedlich aus. Ein bis zwei Tage pro Woche bin ich in der Villa Patumbah, wo wir unser Büro haben. Der Austausch im Team ist für unsere kleine Stiftung extrem wichtig. Während der Ausführung eines Bauprojektes bin ich regelmässig auf der Baustelle, um mit den Architekten, Denkmalpflegern oder Handwerkern vor Ort Entscheidungen zu besprechen. Zudem darf ich für Evaluationen Häuser in der ganzen Schweiz besichtigen, was sehr bereichernd ist.

Was treibt Sie an? Was bringt Sie morgens aus dem Bett?

Die Erhaltung der Baukultur und der historischen Häuser ist eine Herzensangelegenheit. Ich staune immer wieder, über die architektonische Vielfalt und die Schönheit, die in der ganzen Schweiz zu finden ist. Einem leerstehenden und oft verkannten Gebäude neues Leben einzuhauchen, ist ein wunderbarer Prozess. Zudem erhalten wir von unseren Gästen unglaublich viele positive Rückmeldungen, die das ganze Team anspornen, stets das Beste zu geben.

Welche Eigenschaften halten Sie in Ihrem Beruf für besonders wichtig?

Grundlage ist das nötige Wissen über Architektur und Bauabläufe, aber auch das Fachwissen in Denkmalpflege und Geschichte. Wichtig ist darüber hinaus die Neugier, Regionen mit ihren baukulturellen Eigenheiten zu entdecken und Möglichkeiten auszuloten sowie Menschen vor Ort zu vernetzen. Das bedeutet Offenheit für Neues, Kommunikation und Sensibilisierung.

Was ist Ihr wichtigstes Arbeitsinstrument?

Unterwegs ist mein Laptop unverzichtbar, mit dem ich auch bequem im Zug arbeiten kann, wenn ich auf Besichtigungstour bin. Ausserdem brauche ich meine Kamera für die Baubegleitung und Evaluierung, ohne Bilder ist die Vermittlung und Dokumentation nicht möglich.

Worüber haben Sie sich kürzlich geärgert?

Ärgerlich ist es, wenn Baukultur aus wirtschaftlichen Gründen und Profitgier zerstört wird und damit Lebensräume, Geschichte und auch Identität verloren gehen. Etwas kleiner gedacht, wenn beispielsweise eine Baureinigung mühsam erhaltene Tapetenreste versehentlich wegputzt oder Gäste sich mehr für die Kaffeemaschine als für Baukultur interessieren.

Von welchem architektonischen/innenarchitektonischen Werk sind Sie besonders angetan?

Ich habe gerade grosse Freude an unserer neu eröffneten Kaplanei in Ernen. Das junge Walliser Büro Zenklusen Pfeiffer Architekten hat die Kaplanei sehr behutsam restauriert und eine neue architektonische Qualität eingebracht, die das Haus bereichert. Ich finde es grossartig, wenn sich junge Architekten auf ihre Wurzeln besinnen, eine Region gestalten und prägen und einen sorgsamen Umgang mit dem Bestand pflegen.

Welches Produkt/welche Idee/welche Leistung hat Sie kürzlich beeindruckt?

Ich bin immer wieder beeindruckt, wenn ich in historischen Gebäuden auf eine Farbenpracht oder einen Detailreichtum stosse, der heute undenkbar wäre. Bei unserem letzten Umbau haben wir während der Ausführung zarte florale Deckenmalereien entdeckt, bezaubernd. Beeindruckt bin ich auch von Menschen, die mit ihrem Engagement Baukultur erhalten, indem sie freiwillige Arbeitsstunden leisten und Menschen vor Ort mobilisieren, um Gebäude zu retten und eine Vision zu verwirklichen.

Auf welche Musiktitel würden Sie auf einer einsamen Insel nicht verzichten wollen?

Querbeet: Genauso wie ich mich für mittelalterliche Blockbauten, Jurahäuser, Jugendstil oder 70er-Jahre-Bauten begeistere, höre ich von Klassik über Mundart bis hin zu Jazz und zeitgenössischer Musik eigentlich alles.

Mit wem würden Sie gerne einmal ein Glas Wein trinken?

Mit den ursprünglichen Bewohnern unserer Häuser. Sich den historischen Alltag unter einfachsten Bedingungen vorzustellen, fasziniert mich. Über berühmte Menschen wurde schon viel erzählt, die einfachen Leute werden oft vergessen, diese Geschichten berühren mich.

ClaudiaThommen-FIB