Einblick in die Fassadenprüfung, Hochschule Luzern
Moderne, energieeffiziente und nachhaltige Fassaden zählen zu den komplexesten und kostenintensivsten Bauteilen eines Gebäudes. Aufgrund des Zusammenspiels verschiedener Anforderungen birgt ihre einwandfreie Herstellung ein enormes Fertigungsrisiko. Weshalb neben einer kompetenten Planung eine Prüfung auf einem Fassadenprüfstand notwendig ist, erklärt Andreas Luible, Leiter des Kompetenzzentrums Gebäudehülle.
Energieeffiziente Gebäude funktionieren aus energetischer Sicht nur, wenn alle Bauteile, inklusive der Fassade, aufeinander abgestimmt sind und die spezifizierten Leistungsanforderungen eingehalten werden. Das enorme finanzielle Risiko einer mangelhaft konzipierten oder ausgeführten Fassade wird dabei oft unterschätzt. Beispielsweise kann eine zu hohe Luftdurchlässigkeit der Fassade das Energiekonzept eines Gebäudes zunichtemachen, eine wasserundichte Fassade erhebliche Schäden der Bausubstanz zur Folge haben und eine mangelnde Tragfähigkeit sogar Menschenleben gefährden. Aus diesem Grund ist nach Europäischem und Schweizer Bauproduktegesetz jeder, der Fassaden oder Fenster „in den Verkehr bringt“ verpflichtet, eine Leistungserklärung abzugeben, in der die Produkteigenschaften deklariert werden. Zu den geforderten wesentlichen Eigenschaften von Fenstern und Vorhangfassaden, die
in den Produktenormen SN EN 14351-1 beziehungsweise SN EN 13830 geregelt sind, zählen unter anderem: Widerstand gegen Windlast, Schlagregendichtheit, Luftdurchlässigkeit, Wärmedurchgangskoeffizient und Gesamtenergiedurchlassgrad.
Anforderungen an Wärmedämmung oder Energiedurchlassgrad können heute rechnerisch nachgewiesen werden. Zur Bestimmung der Luftdurchlässigkeit und Schlagregendichtheit ist jedoch immer eine sogenannte Typprüfung durch eine akkreditierte Prüfstelle erforderlich, da diese konkreten Qualitäts- und Leistungsanforderungen nur versuchstechnisch am Bauteil überprüft werden können.
Hochschuleigener Fassadenprüfstand
Das Kompetenzzentrum Gebäudehülle (CCGH) der Hochschule Luzern Technik und Architektur (HSLU T&A) ist akkreditiertes Prüflabor und bietet diese Prüfungen seit 2008 auf dem hochschuleigenen Fassadenprüfstand an. Die Prüfungen können unter der Aufsicht des CCGH aber auch auf firmeneigenen Prüfeinrichtungen durchgeführt werden. Der Prüfstand der Hochschule zählt zu den modernsten in Europa und erlaubt es, Fassaden bis zu einer Breite von acht Metern und einer Höhe von zwölf Metern zu testen. Er besteht aus einer an beliebige Fassadengrössen anpassbaren abgedichteten Prüfkammer, mit der Prüfdrücke bis zu zehn Kilopascal aufgebracht werden können sowie einer mit Wasserdüsen bestückten Beregnungseinheit. 2019 wurde die gesamte Prüftechnik durch eine an der Hochschule Luzern eigens entwickelte Steuerung und Messtechnik ersetzt. Insbesondere wurden ungenaue Flügelradanemometer durch Hitzdrahtanemometer ersetzt, welche zur Messung der Luftverlustrate bei langsamen Strömungsgeschwindigkeiten genauer sind. Ausserdem wurden eine eigene Steuerungssoftware und ein Regelalgorithmus entwickelt, der sich mittels einer hohen Abtastrate an den Verlust des jeweiligen Prüfkörpers anpassen kann und somit ein schnelles und zuverlässiges Anfahren unterschiedlicher Prüfdrücke ermöglicht.
Mehrstufige Prüfungen
Der in den Produktenormen geregelte Prüfablauf ist für Vorhangfassaden und Fenster ähnlich und setzt sich aus folgenden Teilprüfungen zusammen:
1. Luftdurchlässigkeit
2. Schlagregendichtheit
3. Widerstand gegen Windlast – Gebrauchstauglichkeit
4. Luftdurchlässigkeit – wiederholte Prüfung
5. Schlagregendichtheit – wiederholte Prüfung
6. Widerstand gegen erhöhte Windlast – Tragsicherheit
Bei der Luftdurchlässigkeitsprüfung wird der relative Luftverlust unter einem stufenweise zunehmenden Unter- oder Überdruck in der Prüfkammer gemessen. Der gemessene Luftverlust darf dabei den Grenzwert der geforderten Luftdichtigkeitsklasse nicht überschreiten.
Während der Schlagregendichtheitsprüfung wird bei einem stufenweise ansteigenden Unterdruck in der Prüfkammer die Fassade beziehungsweise das Fenster konstant mit einer definierten Wassermenge besprüht. Aus dem maximalen Unterdruck, bei dem noch kein Wasser in den Innenraum eintritt, ergibt sich die Schlagregendichtheitsklasse. Bei der Windlastprüfung werden einerseits die Verformungen der Fassade unter Bemessungswindlasten ermittelt und andererseits die Tragsicherheit der Fassade unter erhöhten Windlasten (1,5-fache Bemessungswindlast) überprüft. Unter erhöhten Windlasten dürfen keine bleibenden Beschädigungen von Rahmenelementen, Bauteilen, Halterungen oder Verankerungen auftreten. Glasauflageränder und Dichtungen dürfen sich nicht verschieben.
Nutzen für Industrie und Studierende
Neben der Prüfung von Fenstern und Fassaden unterstützt das CCGH die Fassadenindustrie bei zahlreichen weiteren Themen rund um die Gebrauchstauglichkeit und Tragsicherheit von Gebäudehüllen. Zu den wichtigsten gehören Glasprüfungen (zum Beispiel Pendelschlagprüfung, Resttragfähigkeitsversuche von Verglasungen), mechanische Prüfungen von Bauteilen (zum Beispiel Verbindungen, Konsolen, Verankerungen), thermische und energetische Simulationen von Fassaden, Lichtsimulationen und Messungen sowie Foggingprüfungen an Closed Cavity Fassaden (CCF).
Von der Prüftätigkeit und den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten am CCGH profitieren vor allem die Studierenden im Studiengang Bauingenieurwesen Studienrichtung Gebäudehülle, eine in der Schweiz und Europa einzigartige Ingenieurausbildung für zukünftige Spezialisten im Bereich Gebäudehülle.
Dieser Fachartikel von Jörg Asma ist dem Magazin SCALE, Ausgabe 2/21, der Jansen AG entnommen (https://scale.jansen.com/)
Weitere Informationen unter: www.hslu.ch